Russlands Vorbereitungen für unabhängige nationale Internet-Infrastrukturen

Am 12.2. hat die russische Duma in einer ersten Lesung einem, im Dezember 2018 eingebrachten Gesetzesvorschlag zugestimmt, der russische ISPs (Internet Service Provider) dazu verpflichtet,  unabhängige IT-Infrastrukturen aufzubauen um im Krisenfall das russische RuNet vom Internet abkopplen und autark weiterbetreiben zu können. Als RuNet werden alle Webseiten und Domains zusammengefasst, die über die Top-Level-Domain „.ru“ (in lateinischer und kyrillischer Schreibweise) zu erreichen sind darunter die Suchmaschinen Rambler und Yandex, das Online-Netzwerk „W Kontakte“ sowie die Informations- und Nachrichtenportale RBC Informations Systems, Lenta.ru und Gazeta.ru (Q: Wikipedia). Laut einem Bericht auf heise.de (Kopie) sollen die Maßnahmen wie folgt umgesetzt werden:

Dazu sollen die Telekommunikationsunternehmen technische Maßnahmen ergreifen, jeglichen russischen Traffic über Austauschpunkte zu routen, die von der russischen Aufsichtsbehörde für Massenmedien, Telekommunikation und Datenschutz Roskomnadsor kontrolliert werden. Die staatlichen Internetkontrolleure sollen dann sicherstellen, dass sämtlicher Traffic zwischen russischen Internetnutzern im Land bleibt und nicht über ausländische Server läuft, wo die Informationen möglicherweise abgefangen werden können.

Technisch wird es darauf hinauslaufen das Routing der Datenströme über die Peering-Infrastrukturen anzupassen (also den Knotenpunkten, an denen einzelne kleinere Netzwerke miteinander verbunden und an weltweite Netz-Infrastrukturen angeschlossen sind) und durch Modifikationen  des DNS (Domain Name System) sicherzustellen, dass Abfragen von Webseiten und Dienstleistungen innerhalb Russlands verbleiben und über die vorgesehenen staatlichen Knotenpunkte laufen. Laut heise.de-Bericht soll das Gesetzesvorhaben auch bereits vom russischen Präsidenten Wladimir Putin gebilligt worden sein:

Die Kosten für den Umbau der Infrastruktur bei den Internet-Providern zur Umleitung über von Roskomnadsor kontrollierte Austauschpunkte soll vollständig von der russischen Regierung getragen werden.

Für die kommenden Wochen ist ein Test geplant, mit dem ein solcher Umbau geprobt und die Konsequenzen analysiert werden sollen. Die möglichen technischen Auswirkungen fasst die WIRED in einem Bericht (Kopie) wie folgt zusammen:

Even if disaster didn’t occur—like banking, hospital, or aviation entities failing to connect—many websites would likely stop working. Most web pages rely on multiple servers to function, which may exist in disparate parts of the world. A news site, for example, may depend on an Amazon Web Services cloud server, Google tracking software, and a Facebook commenting plug-in, all of which are located outside of Russia. “Every [web] page is made of 1,000 different things. If you’re running a website in Russia, you’d have to figure out where everything is coming from”.

Der Bericht bezieht sich dabei auch die zunehmende Verwendung von sog. CDNs (Content Delivery Networks) für das Einbinden von Bildern, Schriftarten und Code-Bestandteilen für Webseiten, die oftmals über die Erde verteilt auf dezentralisierten Server-Infastrukturen ausgelagert sind um den Webseitenzugriff zu beschleunigen und Engpässe von Infrastrukturen zu vermeiden. Der Zugriff auf solche CDN-Server müsste dann entweder explizit auf Computer umgelenkt werden die in Russland stehen oder die Webseite und Dienste so angepasst werden, dass möglichst wenig externe Bestandteile verwendet werden.

Neben diesen technischen Schwierigkeiten rufen die Pläne vor allem aber auch Sorgen vor Netzüberwachungen und staatlicher Kontrolle hervor. Durch ein zentrales Routing aller Internetverbindungen über staatliche Server könnten diese zum einen für die Überwache und  Kontrolle der Webseiten-Abfragen durch einzelne Nutzer eingesetzt werden, sowie für das gezieltes Unterbinden von Zugriffen. Ein solcher Ansatz passt jedoch zu den Debattenbeiträgen Russlands in internationalen Foren, die sich mit der Weiter-Entwicklung völkerrechtlicher Normen und Prinzipien und deren Anwendung auf den Cyberspace beschäftigen. In diesem Kontext betonen russische Vorschläge stets die Notwendigkeit zur absoluten staatlichen Souveräntität über die Informationen, die über nationale Netzwerke verteilt oder in ihnen gespeichert werden, verbunden mit der staatlichen Möglichkeit zur Steuerung und Kontrolle dieser Daten.