Zur Bedeutung der neuen NATO-Doktrin über den Einsatz von Cyber-Wirkmitteln

Anfang November hat die NATO beschlossen Cyber-Wirkmittel oder „Cyberwaffen“ (was bislang keine gültige internationale Definition ist) in Zukunft intensiver in die Planungen einzubeziehen und dafür unter anderem eigene Kommando-Strukturen zu schaffen (Youtube-Link zur Pressekonferenz mit NATO-Generalsekretär Stoltenberg) die auf nationale Cyber-Kapazitäten zurück greifen soll.

Dieser Schritt orientiert sich aus Sicht einiger NATO-Experten wie Thomas E. Ricks (Q: Foreignpolicy.com / lokal Kopie) in erster Linie an dem aggressiven Verhaltens Russland Cyberspace – auch wenn vieles davon bisher nicht sicher als aktiv von staatlicher Seite aus initiiert oder gelenkt belegbar ist (soweit es öffentliche Informationen betrifft). Darüber hinaus ist lt. Ricks die neue Kommando-Struktur aber insofern auch ein Novum, da die Operationshoheit bei Cyber-Aktivitäten anders als bei „klassischen“ Waffen und Streitkräften beim jeweiligen NATO-Staat verbleibt. Militärische Ziele und das strategische Vorgehen werden abgestimmt aber die eigentlichen Wirkmittel bleiben in der Hand des nationalen Militärs. Dahinter steht mutmaßlich die Überlegung (und vermutlich auch die Sorge der NATO-Partner), dass zum einen die Cyber-Waffen als Technologie nicht durch die Übergabe an NATO-Kräfte offengelegt werden. Ebenso relevant dürft sein, dass Staaten die sensiblen Informationen über Sicherheitslücken bei Zielen (als „Grundmaterial“ der Cyberwaffen), die in aller auf nachrichtendienstlichem Weg „gewonnen“ wurden zwar nutzen, nicht jedoch einer größeren Öffentlichkeit zur Kenntnis stellen müssen oder wollen. Oder wie es Ricks formuliert:

A cyber weapon is fundamentally different than a traditional weapon. The fact that an adversary knows about a traditional weapon, such as an F-22, does not negate its effect and the F-22 can be used many times against the same adversary. However, with cyber weapons, once that weapon is used, the adversary knows about the cyber techniques employed and an adversary can readily build cyber defenses to prevent future attacks using that cyber weapon. Essentially, cyber weapons are one-use weapons. This makes it likely that Allies will be reluctant to share and use their cyber weapons with NATO unless their own national survival is at stake.

Möglicherweise müssen die deutschen Bestrebungen im Rahmen des neuen Cyber-Kommandos (KdoCIR) auch parallel die offensiven Kräfte auszubauen und u.a. die seit langem bestehende CNO-Einheit zum „Zentrum für Cyberoperationen“ aufzuwerten im Kontext der NATO-Beschlüsse gesehen werden.