Fake-News und Cyberwar

Das Thema „Fake-News“ bewegt seit einigen Wochen die deutsche Medienlandschaft und angesichts der Diskussionen um die US-Wahl-Beeinflussung durch mutmaßliche russische Hacker befürchten auch deutsche Politiker diese Methode des „Cyberwar“. Auch wenn diese Sprachwahl meiner Meinung nach zum Teil zu hoch gegriffen ist, weisen die jüngsten Ereignisse interessante Parallelen zu den Debatten über die Gefahren auf, die vom Cyberwar für die internationale Sicherheit ausgehen.

In internationalen Debatten über die Gefahren der militärischen Aufrüstung  im Cyberspace spielen gegenwärtig vor allem die Schwierigkeiten bei der Einschätzung des Berdrohungs- und Zerstörungspotentials von „Cyberwaffen“ eine Rolle, sowie die Rückverfolgbarkeit und Reaktionsmöglichkeiten bei deren Einsatz. Die technischen Spezifika von Software erschweren jedoch genau diese Aspekte sodaß eine der großen Gefahren beim Cyberwar in Fehlzuweisungen und Reaktionen durch unbeabsichtigte oder absichtlich falsch gelegten Fährten liegt. Das Eskalationspotential von Konflikten im Cyberspace liegt damit nicht unmittelbar in dem tatsächlichen militärischen Zerstörungspotential von Cyberwaffen oder deren Einsatz, sondern im politischen und strategischen Umgang mit diesen militärischen Ressourcen, mit der Wahrnehmung von realen oder empfundenen Bedrohungen sowie mit der Zuweisung von Schuld bei konkreten Vorfällen.

Die Debatten über Fake-News verdeutlichen diese Gefahren aktuell sehr deutlich zum einen am Beispiel der Spannungen zwischen Russland und den USA sowie anhand eines Vorfalls zwischen Israel und Pakistan. Beide Länder haben nur sehr reduzierte diplomatische Beziehungen – zumal Israel von Pakistan als Nation nicht anerkannt wird –  und die Gefahr von Missverständnissen ist groß. Kurz vor Weihnachten wurde medial in einem gefälschten Bericht der frühere israelische Verteidigungsminister Mosche Jaalon mit den Worten zitiert:

Israel werde Pakistan „nuklear zerstören“, sollte das Land „unter dem Vorwand, den IS zu bekämpfen“, Truppen nach Syrien schicken. Jaalon sagte in dem gefälschten und logisch lückenhaften Artikel: „So weit es uns angeht – sollten sie (Pakistan) wirklich in Syrien eintreffen, dann wissen wir, was wir zu tun haben. Wir werden sie mit einem Nuklearangriff zerstören.“ (Q:  heise.de / lokale Kopie)

Der originale Pressebericht von AWD News ist nicht mehr öffentlich verfügbar, hier daher eine Kopie aus dem Google-Cache. Nach der Meldung reagierte der pakistanische Verteidigungsminister seinerseits mit dem Verweis darauf, dass auch sein Land über Nuklear-Waffen verfüge. Die Situation wurde – möglicherweise auch durch Vermittlung anderer Staaten – dann innerhalb der darauf folgenden Tage entspannt und beide Länder erklärten, ihre Nuklearwaffen nur als friedenssichernde Maßnahmen zu betrachten, ohne konkrete Einsatzabsicht. Der Vorfall verdeutlicht jedoch, wie Situationen selbst ohne konkrete faktische Grundlagen zwischen Akteuren eskalieren können, insbesondere dann, wenn diese aufgrund ihres Verhältnisses zueinander wenig Kommunikationskanäle aufrecht erhalten. Auf die Möglichkeit von Cyberattacken übertragen werden diese Gefahren zusätzlich durch den Reaktionsdruck eines Staates verschärft, der sich aufgrund von wahrgenommenen Angriffen zu umgehenden Verteidigungsmaßnahmen gedrängt fühlt. Reaktionen die sich dann möglicherweise gegen unbeteiligte Dritte richten, weil die eigentlichen Angreifer deren IT-Systeme für Cyberattacken mißbraucht haben. Dazu kommt, dass viele Nationen sich im Rahmen ihrer Sicherheitsdoktrinen die Möglichkeit vorbehalten auf Cyberattacken auch mit konventionellen Maßnahmen zu reagieren um unmittelbare Bedrohungen, wie bspw. den Angriff auf kritische Infrastrukturen abzuwenden.

Angesichts des Bedrohungspotentials bei nuklearen Waffen wurden in den vergangenen Jahrzehnten Kommunikationskanäle, wie das sog. rote Telefon zwischen den USA und Russland etabliert, um in Krisensituationen über einen direkten Draht zu potentiellen Konfliktpartner zu verfügen und potentiell fatale Fehlinterpretationen zu vermeiden. Einige dieser Kommunikationskanäle wurden in den vergangenen Jahren wiederbelebt, andere neu aufgebaut und Expertengruppen der UN und der OSZE drängen seit langem auf die Ausweitung entsprechender bilateraler vertrauensbildender Maßnahmen.

Als ein sehr lesenswerter Bericht über die historische Entwicklung und Bedeutung solcher direkten Austausch-Beziehungen und deren erneute Relevanz sei abschließend auf diesen Text beim „New Yorker“ hingewiesen (lokale Kopie).